Freitag, 30. Juni - Sonntag, 02. Juli 2023 in Wiesbaden und Friesenheim
Vielleicht denkt Ihr, wir seien vom Kurs abgekommen? Haben wir nicht die Anker gelöst, um uns auf die Suche nach Konvivialität zu begeben? Von der Gastfreundschaft sind wir zur Askese und Freundschaft, dann weiter zum Hören und der Frage nach der Sinneswahrnehmung geschippert und nun driften wir ab (?) in die Stille! Wo kommen wir da hin?
Unser Ausgangshafen war ein Buch von Ivan Illich mit dem Titel „Tools for Conviviality“, im Deutschen „Selbstbegrenzung“. Wir sind darüber gestolpert, dass es dem Autor um den freiwillig und freudig vollzogenen Entschluss zum Verzicht geht, der für ihn die Voraussetzung für eine klare und doch begeisterte Sicht auf die Welt ist und dafür, sich miteinander zu befreunden. Das war uns rätselhaft. Verzicht auf was? Und was hat das mit Freundschaft zu tun? Nehmen wir denn die Welt nicht so wahr, wie sie ist?
Wir sind mit einem Boot aufgebrochen, das vermutlich keinen TÜV bekommen hätte. Sofern wir sie am Horizont noch erspähen konnten, haben wir versucht, unseren Fragen hinterher zu rudern. Wir haben auf einer ersten Insel Halt gemacht und uns gefragt, was es heißt, einem Du, einem fremden Menschen zu begegnen und gastlich zu sein. Wir sind weiter durch eine Wüste aus Wasser gefahren und haben danach gesucht, was heutzutage Askese sein könnte, ob das Bemühen um die Ausbildung von Tugenden heute durch neue Arten von Suchtmitteln bedroht ist, für die es neue Formen des Verzichts bräuchte. Dann sind wir durch eine felsige Untiefe gesteuert und fragten am Beispiel des Hörsinns, ob die Bändigung der Sinne für uns heute überhaupt noch ein Thema sein kann, wenn wir Hören nicht mehr als ein Tun, sondern als neuro-physiologischen Prozess verstehen. Und jetzt hängen wir an einem Stück Treibholz in Richtung Stille …
Ihr seid sehr herzlich eingeladen, ein Stück mit uns zu schwimmen! Als wir mit „Tools for Conviviality“ aufgebrochen sind, hatten wir die Wahl zwischen zwei Meeren. Wir hätten in das Meer des Christopher Columbus fahren können, mit vermeintlich klarer und guter Kartierung: Wir hätten über Klimawandel, die Begrenzung von Treibhausgasen oder über das Projekt einer grünen Transformation debattieren können. Das haben wir nicht getan. Wir sind in jenes angrenzende Meer aufgebrochen, für das wir keine sichere Kartierung haben, in die Wasser der Kultur des Geistes. Das Thema der Stille zielt möglicherweise in die Mitte dieser Kultur.
Im Wörterbuch der Grimm Brüder wird das Adjektiv „still“ auf das indogermanische „st(h)el“ bezogen, was so viel wie stehend, unbeweglich heißt. Das Verb „stillen“ bedeutete beruhigen, mäßigen, dämpfen, nicht aber löschen, wie vielfach im heutigen Gebrauch: „den Durst stillen, löschen“. Stille ist kein nihilistischer Zustand, in dem die Dinge ausgelöscht werden, sondern ein Zustand, in dem wir zu den Dingen in eine besondere Beziehung treten, in der wir von ihnen nicht mehr gereizt werden, so dass wir sie ruhig betrachten können.
In unserem kommenden Symposion In die Stille wollen wir gemeinsam die Frage nach der Askese, der Kunst des Stillens, mit der Suche nach jener freudigen und feierlichen Wahrnehmung verbinden, die uns die Dinge nüchtern zeigt, wie sie sind.
Es freuen sich auf Euch:
Daniela Dohr, Kirsten Vogeler, Gökhan Akkum, Jonas Metzger, Alexander Traberth und Hans-Friedrich Vogt (Projektteam) sowie Marianne und Reimer Gronemeyer (Stiftung Convivial).