Von einem Aufruf zur freiwilligen Begrenzung von Werkzeugen zu einer politisch-pädagogischen Anforderung

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Die Beschreibung der Stiftung auf der Internetseite der Stiftung Convivial beginnt mit einer Frage: Warum Convivial? Ist „‚Convivial‘ ein einladender Name?“ heißt es dort, und die Antwort folgt sogleich: „er wirkt eher wie eine Schwelle, über die man ins Stolpern kommt“. In vier Symposien will das Projekt "Convivial?" mit Interessierten über diese Schwellennatur des Stiftungsnamens ins Gespräch kommen.

Stein des Anstoßes war für uns ein Manifest, das 2014 in einer ersten Fassung publiziert wurde und den Titel „Konvivialistisches Manifest“ trägt.1 In diesem Manifest wird eine konviviale Gesellschaft als ein letzter Wert angestrebt, dessen Erreichen im Lichte des Textes als planetarische Notwendigkeit dargestellt wird, so dass die AutorInnen pädagogische und selbst polizeiliche Maßnahmen für legitim erachten, um eine solche Gesellschaft global durchzusetzen. Der Abstand dieser Vision von jener „Art des Miteinanders“, die von der Stiftung gepflegt wird, und für die „offenbar ein Tisch, um den man sich versammeln kann, ein Krug Wein, den man gemeinsam leeren kann, und Brot, das man miteinander teilt, ziemlich unverzichtbare Utensilien sind“ erschien uns riesig. Zumal da auf dem Tisch noch eine Kerze brennt für jemand anderen, einen Fremden, einen Gast, vielleicht ein Freund, für jemanden, der unsere Gewohnheiten, Gewissheiten und Vorstellungen von zwingenden Notwendigkeiten ins Wanken bringen könnte. Denn diese Kerze ist eine „Mahnung, dass die Gemeinschaft nie geschlossen ist“, heißt es auf der Stiftungsseite.

Ausgangspunkt unseres Grübelns, das wir mit Ihnen und Euch fortführen wollen, ist ein Buch von Ivan Illich, das im Englischen den Titel „Tools for Conviviality“ trägt und im Deutschen „Selbstbegrenzung“ lautet.2 In diesem Buch werden wir herausgefordert, darüber ins Gespräch zu kommen, wie wir eine Distanz zu den „Dingen“ im weitesten Sinne – Werkzeuge, Institutionen, Systeme, Konzepte - finden und pflegen könnten, die es uns erlaubte, miteinander befreundet und in dieser Freundschaft frei zu sein.

In vier Symposion wollen wir diese Frage aufgreifen und den tödlichen Ernst klimapolitisch motivierter (Selbst-)steuerung mit der Frage nach einer freudigen, aber nüchternen asketischen Praxis konfrontieren, wie Illich sie in seinem Buch „Selbstbegrenzung“ aufgeworfen hatte.

1Les Convivialistes (2014). Das Konvivialistische Menifest. Für eine neue Kunst des Zusammenlebens. Bielefeld: transcript.

2Illich, Ivan (1973). Tools for Conviviality. Berkeley: Heyday Books. / Illich, Ivan (1998). Selbstbegrenzung. Eine politische Kritik der Technik. München: Beck Verlag.

 

Einladung zum ersten Symposion

Askese und Freundschaft im Zeitalter der Artefakte

am 02. Juli 2022 in Wiesbaden

 

Bei dem Wort Askese denken viele an bitteren Verzicht und strenge Enthaltsamkeit: Verzicht auf Chips, Cola und Alkohol oder auch Gesundheitsoptimierung und Sport. In Anbetracht aktueller Krisen ist der Verzicht zum politisch-pädagogischen Programm geworden: Cardio-Sports für den Erhalt des Gesundheitssystems, Frieren für den Frieden, Veganismus zur Errettung des Planeten.

Ivan Illich, der Autor von »Gesundheit in eigener Verantwortung: Danke nein!« und von »Entschulung der Gesellschaft«, verknüpft in einem Vortrag von 1996 Askese mit Freundschaft und Technikkritik. Denn durch das Aufkommen neuartiger ›Dinge‹, neuartiger Technologien und Konzepte, die es uns immer schwerer oder gar unmöglich machen, uns diesen zu entziehen oder sie wegzulegen, sieht er unser Können bedroht, mit anderen befreundet zu sein. Als Ausweg plädiert für eine disziplinierte aber heitere, nachdenkliche und tätige Technologiekritik, aus der er eine zeitgenössische Form der Askese erwachsen sieht, die von der Suche nach Freundschaft geleitet ist.

Wir möchten Euch und Sie einladen, gemeinsam mit uns über diesen Vortrag Ivan Illichs ins Gespräch zu kommen. Ist Freundschaft tatsächlich bedroht? Wie genau hängen Freundschaft, Askese und Technikkritik miteinander zusammen? Was verstehen wir unter einer von Freundschaft geleiteten Askese, wenn der Eigensinn des Freundes - sein Misstrauen gegenüber der Medizin, seine Essgewohnheiten oder sein digitaler Analphabetismus - zunehmend als Bedrohung von Systemerfordernissen wahrgenommen wird?

Zu unserer Unterstützung haben wir Fabio Milana, Andrea Sedini und Franz Tutzer aus Italien in den Fragmente-Laden nach Wiesbaden eingeladen. Alle drei sind exzellente Kenner des Werkes von Ivan Illich und haben sich auch mit diesem Vortrag intensiv auseinandergesetzt. Sie werden eine Einführung zu Ivan Illichs Vortrag „Philosophy … Askesis … Friendship“ geben und diesen kommentieren. Wir freuen uns darauf, mit Euch und Ihnen ins Gespräch zu kommen!

 

Wo: Veranstaltungsort Fragmente im Wiesbadener Westend

Blücherstraße 28, 65195 Wiesbaden

Wann: Samstag, 02. Juli 2022, von 16 Uhr bis 20 Uhr

Für Getränke und Essen zur Stärkung wird gesorgt.

Anmeldung: Wir bitten um Anmeldungen per Email an: kirsten-vogeler [at] posteo.de

Wer möchte kann sich gerne vorher schon einen Eindruck von dem Text machen: http://165.227.129.232/convivialbib/files/illich-1996_philo_arti_friends.PDF

Das Gespräch wird hauptsächlich in englischer Sprache stattfinden (es kann aber auch gerne auf Deutsch gefragt werden).

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